MAULCO.

Sich selbst neu (er)finden: Gründen hört niemals auf

Serie: Existenzgründung für Coaches, Teil 6
Teil der Serie Existenzgründung (2011)

Erschienen in Kommunikation & Seminar 6/2011.

Kürzlich sagte mir eine Kundin, sie wolle mit ihre Website erst dann beginnen, wenn ihr Konzept „endgültig fertig“ sei. Sofort musste ich an unseren Biologielehrer denken: Er sagte, es gibt einen Fachausdruck dafür, wenn ein System „fertig“ ist und sich nichts mehr ändert. Die Biologen, so erklärte er, nennen diesen Zustand „tot.“

Kein gutes Zielbild für ein Unternehmen, nicht?

In Heft 2/2011 plädierte ich dafür, weniger zu planen und mehr zu tun, denn nur aus dem Tun kommt Erfolg. Heute, in der letzten Folge dieser Rubrik – und kurz vor der großen Fortsetzung im nächsten Jahr – stellt sich die Frage: Ich habe gegründet, was nun?

Wann ist eine Gründung eigentlich abgeschlossen? Am Tag der Entscheidung, am Tag des ersten Klienten oder des Tausendsten? Sie ahnen, worauf ich hinaus will, die Antwort lautet natürlich „es kommt drauf an.“ Meine erste Gründung empfand ich am Abend des ersten Workshops als abgeschlossen, ich wusste: Das Konzept scheint zu funktionieren, Teilnehmer melden sich an, zahlen gern und sind hochzufrieden. Höchste Zeit also, das Konzept auszubauen! Andere hätten vielleicht gedacht: Dieser Workshop war erfolgreich, also wiederhole ich ihn einhundert Mal und entscheide dann, ob und wie ich mein Unternehmen weiterentwickele.

Beide Standpunkte haben ihren Reiz, und keiner ist richtiger oder falscher als der andere. Wann Sie Ihr Unternehmen als „fertig“ erklären und was „fertig“ bedeutet, liegt allein an Ihnen – nicht an Kollegen, Kunden oder gar „dem Markt“. Erfolgskurven können beständig nach oben weisen, oder steil nach unten, oder wild schwanken wie die Genauigkeit der Wettervorhersage. Individuelle Maßstäbe für „Erfolg“ sind so verschieden, dass der Versuch einer objektiven Beurteilung sinnlos wäre.

Sinnvoll hingegen sind zwei Fähigkeiten: Loslassen können und festhalten können. Ein Unternehmen loszulassen, dessen Zeit gekommen ist, ist manchmal die bestmögliche Entscheidung, und dem Gegenwind zum Trotz an einer Idee festzuhalten ebenso.

Ob Sie Ihre Gründung als „abgeschlossen“ betrachten oder nicht, ergibt sich vor allem aus dem Verhältnis dieser gegensätzlichen Bestrebungen: Festhalten und Loslassen. Nach meiner Erfahrung sind Sie auf einem guten Weg, wenn Sie sich in einem der beiden Extreme fühlen; alles dazwischen sollte den Impuls zur Folge haben, sich in eine der beiden Richtungen zu entwickeln.

Teil 1 dieser Rubrik begann mit dem Satz „Man gründet sich ständig neu,“ und so soll sie auch enden. Wenn Sie sich einmal ge- und damit er-gründet haben, gehen Sie getrost weiter. Der Weg entsteht unter Ihren Füßen, ganz automatisch, wenn Sie eins tun: Losgehen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Spaß und Erfolg!