Punktlandung per Autopilot: Drei Phasen zum automatisierten Online-Marketing
Erschienen in Kommunikation & Seminar 5/2009.
Wer schon das Vergnügen hatte, im Urlaubsflieger dem Piloten über die Schulter schauen zu dürfen, war sicher erstaunt: Während des gesamten Flugs sitzt er angespannt im Cockpit, drückt Knöpfe, zieht an Hebeln, spricht – nein, schreit – schnelle Wortfolgen in sein Headset. Ohne Atempause, mit oft hochrotem Kopf klickt und drückt er, bellt Anweisungen an Co-Piloten und Kabinenpersonal, wirkt immer hektischer. Wieso Piloten nicht schon kurz nach dem Start zusammenbrechen, ist ein ungelöstes Rätsel des modernen Verkehrsflugs.
Moment mal, irgend etwas stimmt hier nicht: Selten verbreiten Flugkapitäne eine hektische, gestresste Atmosphäre, und obwohl das Cockpit mit Knöpfen und Displays übersät ist, wirkt die Crew selten überfordert. Das Tempo im Cockpit ist beschaulich, die Aktionen konzentriert: Für den Großteil der Arbeiten verlassen sich die Piloten auf die Bordcomputer und auf den Autopiloten, der mit verhältnismäßig wenig Input eine unverschämt komplexe Maschinerie steuert.
Marketing, PR und Akquise (die ich für diesen Artikel unter einem Begriff zusammenfasse), sind komplexe und oft komplizierte Angelegenheiten, und wer da zu jedem Zeitpunkt die richtigen Knöpfe und Schalter bedienen will, fühlt sich rasch überfordert. Besonders in Zeiten, in denen Kunden sich eher rar machen, entwickelt sich Opportunitätsdenken, das gleichermaßen hektisch wie unproduktiv ist.
Wie gut hat’s da ein Pilot! Der verlässt sich vor allem in undurchsichtigen Situationen auf die Technik, befiehlt lediglich eine Kurskorrektur, und überlässt die Kleinarbeit Rechnern und Automaten – vom Triebwerksschub über die Neigungswinkel der Ruder bis zur Klimaanlage in der Kabine. Niemand würde einem Pilotenteam zumuten, alle Funktionen von Hand zu steuern!
Ganz gleich, ob Sie in Ihrem Unternehmen Flug- oder Flussschifffahrt-Kapitän sind: Ein Autopilot wird Ihr Geschäftsleben deutlich erleichtern. Zwar ist es aufwendig, einen Autopiloten zu bauen; ist er jedoch einmal installiert, wird es ein leichtes sein, der Akquise-Hektik ade zu sagen.
Im Unterschied zum Flugzeug-Autopiloten folgt der Marketing-Autopilot keiner vorgegebenen Route, denn online überfliegen Sie den gesamten Markt zur selben Zeit, etwa mit wie Douglas Adams’ Infinite Improbability Drive, jenem Raumschiffantrieb, der alle Punkte im Universum zur selben Zeit durchquert. Die Aufgabe Ihres Autopiloten besteht darin, automatisch und ununterbrochen jenen Teil des Markts anzusprechen, der potentielle Kunden enthält – und diese wiederum automatisch zu filtern, bis am Ende nur diejenigen übrig bleiben, die ein hohes Interesse an Ihren Angeboten haben und Sie buchen.
Im folgenden lernen Sie, in drei Phasen aus jeweils drei Schritten ein kleines Online-Marketing-System zu gestalten, das einen großen Teil ihres Marketings und Akquise automatisch vornimmt.
Bauphase 1: Websites im Regenwald
Ihre Website ist der Dreh- und Angelpunkt aller automatisierten Marketing-Aktivitäten. Eine effektive Website ist wie ein Büro, das permanent mit vertrauenswürdigen Mitarbeitern besetzt ist. Wenn eine Website nur eine Aufzählung von Angeboten umfasst, ist sie etwa so effektiv wie eine Broschüre, die – an irgendeinen Baum im Amazonas geheftet – wartet, bis zufällig eine Expedition von Interessenten vorbeikommt. Damit eine Website tatsächlich wirksam wird, muss sie den Verkaufsprozess abbilden. Schließlich ist ein Besucher Ihrer Website genau so wichtig wie ein Interessent, der Sie persönlich im Büro besucht. Und würden Sie einem Besucher einfach eine Broschüre in die Hand drücken und ihn dann wieder wegschicken?
- Falls also noch nicht geschehen, dokumentieren Sie Ihren Verkaufsprozess: Wie selektieren Sie aus den Anfragen die wirklich interessanten Kunden? Welche Informationsmaterialien geben Sie wann und warum an wen? Wie genau läuft der Follow-up-Prozess für Interessenten ab, die beim ersten Anlauf noch „nein“ sagen? Wie reagieren Sie auf welche Einwände, was tun Sie, um Folgeaufträge zu erhalten?
- Gestalten Sie die Benutzerführung so, dass sie diesen Verkaufsprozess möglichst genau abbildet. Beginnen Sie bei der einfachsten Stelle, dem Empfang: Ihre Website sollte beispielsweise einen Besucher, der über eine Google-Suche kam, anders begrüßen als einen, der über einen Newsletter-Artikel auf die Site geleitet wurde.
- Passen Sie die Website so an, dass sie Ihren Verkaufsprozess möglichst genau abbildet. Nur so kann Ihre Website für Sie arbeiten (und nicht Sie für die Website).
Bauphase 2: Einladung zum Grillen
Zugegeben: Auch wenn Ihre Site Ihren Verkaufsprozess abbildet, ist sie noch immer eine von abertausenden Websites im Dschungel des WWW. Wenn Sie eine große Party veranstalten wollen und kalte Würstchen auf den Tisch stellen, können Sie lange warten, bis andere auf Sie aufmerksam werden. Gehen Sie in den Garten und werfen den Grill an! Der Duft wird genau jene Gäste anziehen, die Lust auf Bratwurst haben – und alle anderen bleiben wegen des Gestanks zu Hause. Laden Sie also Ihre potentiellen Kunden ein oder machen Sie mit Grill-Duft auf sich aufmerksam. Sonst wird Ihre Website weiter am Baum hängen und langsam vermodern.
- Identifizieren Sie das größte Problem Ihres prototypischen Idealkunden und erstellen Sie ein Produkt, das geeignet ist, ihn einer Lösung einen echten Schritt näher zu bringen. Dieses Produkt muss automatisch und ohne großen Arbeitsaufwand verteilbar sein. Zum Beispiel ein E-Book zum Download, ein E-Mail-Seminar, Podcast, eine Info-CD/DVD oder ein gedruckter Newsletter ((war das gemeint?? nein, war es nicht ;-) )). Bieten Sie dieses Produkt gratis an und beachten Sie: Es muss einen hohen Nährwert haben; ein E-Book z. B. soll keine Ansammlung von Produktanpreisungen sein, sondern eine oder mehrere Coaching-Stunden ersetzen können. Bieten Sie keine Grill-Baguette-Brösel, sondern einen sättigenden ersten Gang.
- Machen Sie von sich reden. Kaum eine Information verbreitet sich so schnell, wie die von kostenlosen und wirkungsvollen Produkten. Hier sind den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt: Social-Networking-Plattformen wie Facebook oder LinkedIn, Microblogging-Plattformen wie Twitter oder tumblr, Medienplattformen wie vimeo oder YouTube, Dokumentenplattformen wie issuu oder scribd, sowie Dutzende, nein: Hunderte, mehr. Konzentrieren Sie sich dabei auf wenige Plattformen (diejenigen, auf denen sich Ihre potentiellen Kunden am ehesten finden) und bringen sich ins Gespräch: Natürlich immer mit Informationen, die Mehrwert bieten.
- Vertrauen Sie darauf: Ihr kostenloses Informationsprodukt wird, wenn es tatsächlich einen Nähr- oder eben Mehrwert hat, dazu beitragen, dass genau die zu Ihnen passenden Interessenten auf Ihre Website – und damit in Ihren Verkaufsprozess – geleitet werden.
Bauphase 3: Sammeln Sie Visitenkarten
Wenn ein Interessent Sie im Büro besucht, ist der Austausch der Visitenkarten ein entscheidender Teil des Verkaufsprozesses. Ohne E-Mail-Adresse oder Telefonnummer Ihres Gesprächspartners kann der Verkaufsprozess nicht effektiv fortgesetzt werden. Ebenso ist es für den Erfolg des Autopiloten unerlässlich, dass Sie die Kontaktdaten jedes Besuchers Ihrer Website, vor allem jeden, der Ihren kostenlosen „ersten Gang“ konsumierte, automatisch in eine Datenbank übernehmen, damit Sie ihn auf den nächsten Schritten Ihres Verkaufsprozess begleiten können.
- Bieten Sie jedem, der Ihr kostenloses Info-Produkt herunterlädt oder anfordert, einen nächsten Schritt an, für den die Angabe einer E-Mail-Adresse oder Telefonnummer nötig ist: beispielsweise ein dreiteiliges E-Mail-Seminar, oder ein unverbindliches Telefonat. Dies erniedrigt die Schwelle für den Besucher, seine Kontaktdaten zu hinterlassen.
- Unterbreiten Sie Website-Besuchern, die Ihr Info-Produkt nicht anfordern, ein anderes Angebot, für das die Eingabe der Kontaktdaten nötig ist. Newsletter sind ein bewährtes Mittel – jedoch nur, wenn Sie darin handfeste Ratschläge und belastbare Themen vorbringen. Leiten Sie alle Kontaktdaten, die Sie – mit Erlaubnis der Eigentümer – sammeln, in ein CRM-(Customer Relationship Management)-System weiter.
- Führen Sie Follow-Ups automatisch so durch, wie es Ihr Verkaufsprozess vorgibt. Beispielsweise sollten diejenigen, die Ihr Info-Produkt heruntergeladen oder angefordert haben, nach einer Woche eine E-Mail bekommen mit der Bitte um Feedback. Diejenigen, die den Newsletter anfordern, können Sie auf Ihr Infoprodukt hinweisen. Schließlich erhalten Ihre bestehenden Kunden wiederum andere, periodische E-Mails zu relevanten Themen.
Schon kann’s losgehen. Sobald Ihr Autopilot läuft, also Tag und Nacht wichtige Teile Ihres Verkaufsprozesses abbildet, können Sie sich wie der Flugzeugpilot auf das Wesentliche konzentrieren: Kontrollieren Sie gelegentlich die Route, d. h. prüfen Sie, ob durch den Autopiloten Ihre Wunschklienten zu Ihnen kommen. Und produzieren Sie relevante Inhalte für Ihre alten – und bald neuen! – Kunden.
Eine Faustregel zum Abschluss: Sie sollten jeden Kontakt zweimal im Monat „berühren“, also in irgendeiner Weise (E-Mail, Anruf, Postkarte, Schokoladentafel) in Kontakt bleiben. Drängen Sie sich nicht Werbegeschrei auf, sondern bieten Sie relevante Informationen, die für Ihre jeweiligen Zielgruppen einen echten, umsetzbaren Wert haben. Dann werden Sie automatisch gefunden – und gebucht. Viel Erfolg und einen guten Flug!